#Digitallife

Hassrede im Internet

3#Ichhassedich

retour au sommaire

PITT

3.7 Virtuelle Klasse / Lehrerfassung

Intro

#ichhassedich – Hate Speech in Netz, Musik und Film

Der nachfolgende Impuls kann in Form zweier Arbeitsblätter an Schülerinnen und Schüler ausgeteilt werden. Es handelt sich um Annäherungen an Definitionen und Beispiele von Hate Speech mit Fokus auf den Gewaltpotenzialen von Sprache. Beide Blätter dienen als Grundlage und Referenz für die folgenden Aufgabenstellungen, die nach dem Think-Pair-Share-Modell aufgebaut sind. Sämtliche Aufgaben lassen sich dabei vollständig im Remoteunterricht ohne Klassenplenum bearbeiten. Eine Bearbeitung mit Videokonferenzschaltungen, in denen einzelne Gruppen („Breakout-Rooms“) gebildet werden und die Share-Phase als Bildschirmpräsentation der einzelnen Gruppen stattfinden kann, ist ebenso möglich.

 

Hate Speech  („Hassrede“) greift Macht- und Diskriminierungsverhältnisse auf, die in unserer Gesellschaft – auch im analogen Leben – verbreitet sind: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie sowie viele weitere diskriminierende Strukturen.
Die sprachlichen und inhaltlichen Muster ähneln sich dabei und lassen sich in unterschiedlichen Formen von Hate Speech identifizieren.
Das Thema der heutigen Unterrichtseinheit #ichhassedich ist also Sprache und Gewalt – wir gehen der Frage nach, wie Diskriminierung über Sprache konstruiert wird.

Hate Speech unterscheidet sich von anderen Formen digitaler Gewalt. Während etwa von Cybermobbing, sogenannten Shitstorms oder einer verrohten Kommunikationskultur im Netz im Prinzip alle in gleichem Maße betroffen sein können, richtet sich Hate Speech vorwiegend gegen Personen, weil sie einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden. Sie erfahren eine Abwertung aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer (vermeintlichen) Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Körpers. Hate Speech ist insofern eng verknüpft mit dem Begriff gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.“

Hate Speech ist der sprachlich ausgedrückte Hass gegenüber einer Personengruppe oder einer Einzelperson wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Personengruppe.“
Raul Krauthausen 

Hate Speech ist der sprachliche Ausdruck von Hass gegen Personen oder Gruppen insbesondere durch die Verwendung von Ausdrücken, die der Herabsetzung und Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen dienen.“
Prof. Dr. Jörg Meibauer 

Beispiele und Muster

SIEHE PDF

 

Auftrag
Hate Speech auf der Spur: THINK! 

Wo in virtuellen Medien – sozialen Netzwerken, Chaträumen, Diskussionsforen, Musik(-videos), Filmen – empfindest du selbst Sprache auf die hier im Intro beschriebene Art und Weise als hasserfüllt, aggressiv oder verletzend?

> Suche ein Beispiel:
Für Musik(-videos) und Filme: Notiere/Kopiere dazu den Link zu dem Musikvideo oder Film und schreibe die Lyrics/das Script der betreffenden Stelle auf, die du als Hate Speech identifizierst.

> Oder
Für soziale Netzwerke, Chaträume, Diskussionsforen: Mache einen Screenshot und notiere/kopiere den Link der betreffenden Stelle, die du als Hate Speech identifizierst. Achtung: Benutze keine privaten Chats oder Foren!

 

Hate Speech auf der Spur: PAIR!

Arbeite für diesen Auftrag mit maximal drei weiteren Klassenkameradinnen und Klassenkameraden zusammen: Trefft euch virtuell auf MS Teams oder in einem alternativen Videokonferenzraum, über den ihr eure Ergebnisse – also auch Musikvideos und Filmausschnitte – miteinander teilen könnt.

> Präsentiert der Reihe nach die von euch recherchierten Beispiele.

> Analysiert die Beispiele.
Trage unten in die Kästen zunächst deine eigenen Antworten auf die Leitfragen zu jedem Beispiel ein. Diskutiert dann gemeinsam eure Ergebnisse auf die folgenden Fragestellungen und notiert eure Gruppenergebnisse in Stichworten auf ein gemeinsames Arbeitsblatt.

  • Wie wird über Sprache Hass ausgedrückt und Gewalt ausgeübt: Welche Wörter, Wortfelder (und welche Stilmittel) könnt ihr erkennen? Welche nichtsprachlichen Elemente (z. B. musikalische und/oder bildhafte) könnt ihr erkennen, die diesen Effekt unterstützen?
  • Welche Motive für den Gebrauch von Hate Speech könnt ihr identifizieren – was möchte der Autor/Sprecher/Sänger warum bewirken?
  • Zusatzfrage: Wie könnte man in euren Beispielen sinnvoll auf Hassrede und Wutkommentare reagieren und antworten? Welche Ideen habt ihr für lösungsorientierte Reaktionen?

Hate Speech auf der Spur: SHARE!

Sammelt eure Ergebnisse in einem shared document – über ein Padlet, ein gemeinsam bearbeitetes Worddokument oder eine PPT-Folie, auf dem jede/r ihre/seine Beispiele (Auftrag II.1.) dokumentiert und auf dem ihr dann die Ergebnisse eurer Analyse (Auftrag II.2.) zusammenfasst. Bereitet das Dokument so vor, dass ihr in einer Videokonferenz eure Beispiele und Ergebnisse gut verständlich präsentieren könnt.

 

Regieimpuls für Lehrpersonen:
Hate Speech auf der Spur: SHARE!

Die SHARE-Phase kann idealerweise als Klassenplenum über Videokonferenz erfolgen, alternativ können die Dokumente auch über einen Shared Folder zur Verfügung gestellt und durch Schülerinnen und Schüler für die weitere Bearbeitung in Einzelarbeit abgerufen werden. Diskussion oder Einzelarbeit nach der Präsentation der Gruppenergebnisse folgen dabei den Leitfragen:

> Welche Gemeinsamkeiten (z. B. betreffend Wortwahl, Wortfelder, parasprachliche Kontexte, Motive) stellt ihr in den verschiedenen Beispielen zu und den Ausdrucksformen von Hate Speech fest?

> Welche Unterschiede könnt ihr feststellen – welche Ausdrucksformen von Hate Speech sind an ein bestimmtes Medium oder an ein bestimmtes Motiv gebunden?

> Was würdet ihr basierend auf euren Beispielen, Analysen und Ergebnissen zensieren, was gehört für euch zur freien Meinungsäußerung? Also wo liegt der Unterschied zwischen Hate Speech und Free Speech? Begründet eure Einschätzung sorgfältig! (Diese Frage kann als Zusatzfrage gestellt werden, auch mit der Möglichkeit zur Differenzierung. Ein Textimpuls folgt auf der nächsten Seite.)

 

Hate Speech auf der Spur: Impuls zur Bearbeitung

Hate Speech
Ein bisschen Hass darf sein.
Von Timo Rieg

Hate Speech, also die Hassrede, hat einen schlechten Ruf. Das ist insofern berechtigt, als dass sie die Welt nicht besser macht. Dennoch kann Autor Timo Rieg dem öffentlichen Wutschnauben auch Positives abgewinnen.

„Hass ist keine Meinung.“ Das bekommen wir gegenwärtig oft zu hören, gerne ergänzt um die Behauptung: „sondern ein Verbrechen“. Jeder Mensch, der jemanden oder etwas hasst, ein Verbrecher? Puh! „Hass ist keine Meinung“, klar. Denn Hass ist ein Gefühl. Und damit ist Hass eine ganz private Angelegenheit. So wie Träume, Fantasien, Liebe. Relevant für andere – auch für Politiker, die Gesetze machen – kann Hass erst werden, wenn er sich irgendwie artikuliert. Wenn dem Gefühl Taten folgen.

 

Das Böse muss eliminiert werden

In der Diskussion geht es deshalb auch vor allem um eine ganz bestimmte Ausdrucksform von Hass: Es geht um Sprache – „Hate Speech“. Nach dem neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetz gilt: Wird auf Facebook oder Twitter Gesetzeswidriges verbreitet, droht den Betreibern ein saftiges Bußgeld, wenn sie das Böse nicht rechtzeitig eliminieren. Und so gibt es derzeit allerhand Streit um gelöschte und nicht gelöschte Sätze, Bilder, Worte.

Es gibt Mahner, die das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gefährdet sehen, und es gibt jene, denen nicht genug getan wird gegen Volksverhetzung und Menschenverachtung im Internet. Um Strafbares geht es dabei nur selten. „Hass“ klingt wirklich doof, brutal.

Aber wenn wir ein noch kürzeres Wort nehmen, muss wohl jeder zugeben, diesen emotionalen Zustand zu kennen: Wut. Doch auch die wurde schon mit dem Begriff „Wutbürger“ diffamiert.

Dass Hass weder eine Frage des politischen Spektrums noch der formalen Bildung oder beruflichen Erfüllung ist, wird in den sozialen wie klassischen Medien bei vielen Kommentaren deutlich.

Ein arbeitsloser Ronny aus Cottbus beklagt auf Facebook, der Staat tue seit zwölf Jahren nichts für ihn, aber „die Flüchtlinge“ bekämen alles irgendwohin geblasen. Auf den Hinweis, dass es sich bei Ronny um ein Fake handelt, entgegnet ein grüner Politiker: „Dieser Ronny ist ziemlich repräsentativ für dieses nervige Pack.“ Ein üblicher Konter unter fast jedem „Hasskommentar“ lautet: „Lösch dich!“ Klingt auch nicht nach Fürsorge.

Die taz berichtete vor wenigen Tagen von Kundgebungen in Dresden, bei denen Demonstranten einen „Nazimarsch“ stören wollten. Das Foto zum Artikel zeigt eine alte Dame mit Trillerpfeife und gestrecktem Mittelfinger. Headline: „Friedlicher Protest gegen Neonazis“. Ja, es war friedlich, aber auch hasserfüllt.

Und der Schriftsteller Maxim Biller polemisierte gerade in der Zeit unter dem netten Titel „Wer ist hier das Arschloch?“ gegen die gesamte Leserschaft. Zitat: „Heftige, obszöne, hasserfüllte intellektuelle Debatten passen nicht in das gegenwärtige linksrechte Weltbild der inzwischen so prüden, erzreaktionären Feuilleton-Volksgemeinschaft, der sie angehören.“ Puh!

 

Hass ist nachvollziehbar

Aber bitte, jede Menge Hass ist berechtigt, wenigstens nachvollziehbar. Was soll ein veganer Tierrechtler angesichts der Massentierhaltung anderes empfinden als Hass auf diejenigen, die für das Leid verantwortlich sind? Will jemand behaupten, er empfände keinen Hass auf Autoraser, wenn das eigene Kind genau von diesem Motorwahn getötet wurde? Und wer eine geflüchtete Familie im Kirchenasyl betreut hat und dann erleben muss, wie diese abgeschoben wird, nicht von der AfD, sondern von der Staatsmacht: Darf derjenige keinen Hass auf Behörden fühlen?

Wut ändert natürlich noch nichts, sie ist ja meist Ausdruck totaler Machtlosigkeit. Wenn jemand vor sich hin schnaubt „na warte, dir werde ich es zeigen“ bedeutet das doch: Ich würde so gerne, aber ich kann ja nicht, also schimpfe ich.

 

Kein Drama daraus machen

„Hate Speech“ macht die Welt nicht besser. Aber Wut zu verbieten, macht sie schlechter – die Wut gibt es nun mal. Vieles davon ist Schall und Rauch, kein weiteres Wort wert, verpufft in dem Moment, da für den riesengroßen Ärger Sätze, Worte oder Bilder gefunden wurden. Danach kann es oft wieder konstruktiv weitergehen. Und wenn einem vor lauter Zorn die Worte fehlen, knallt man eben eine Tür laut hinter sich zu. Empathische Kollegen oder Familienmitglieder machen daraus kein Drama.

 

Quellen

Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS). Landesstelle NRW/Landesanstalt für Medien NRW (2016): Hate Speech. Hass im Netz. Informationen für Fachkräfte und Eltern. Köln. https://pitt.lu/ext/hassimnetz.

Hate Speech im Netz – Erklärungen, Beispiele und Reaktion. https://pitt.lu/ext/umgang.

Rieg, Timo (2018): Hate Speech. Ein bisschen Hass darf sein. In: Deutschlandfunk Kultur vom 23. Februar 2018. https://pitt.lu/ext/hatespeech.

 

 

 

  • Voir plus
PITT