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Discover Life on Mars with a Rover

4#Discover Life on Mars with a Rover

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PITT

4.1 Didaktischer Kommentar

Sandra Baumann, Dominic Harion & Ann Kiefer

Das Modul #Discover Life on Mars with a Rover wurde in Zusammenarbeit von ESERO Luxemburg (European Space Education Ressource Office) und PITT entwickelt. ESERO konzipiert sowohl für Grundschulen als auch für Sekundarschulen auf die luxemburgischen Lehrpläne angepasste Unterrichtsmaterialien für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), die stets mit dem Thema „Weltraum“ verknüpft sind. Im Studiengang Bachelor en Sciences de l’Education (BScE) der Universität Luxemburg unterstützt ESERO Luxemburg auch bereits angehende Grundschullehrer*innen beim Aufbau einer umfassenden naturwissenschaftlichen Kompetenz – so bearbeiten Studierende etwa die von ESERO entwickelten Aufgabenstellungen zum Projekt „teach with Space“ zum Thema Klimawandel (Andersen et al., 2021).

Die vorliegende Unterrichtseinheit #Discover Life on Mars with a Rover beschäftigt sich mit dem Themenkomplex Roboter und wurde in das Lernsetting „Weltraum“ eingebettet. Dahinter steht einerseits die Idee, die „Faszination Weltraum“ ins Klassenzimmer zu holen und junge Menschen über das Lernsetting für das Lernen und selbstständige Arbeiten zu begeistern und das motivationale Potential desselben für Lernprozesse fruchtbar zu machen: Das Weltall mit all seinen Facetten ist bei Jugendlichen ein beliebtes Thema – insbesondere in Verbindung mit der Suche nach (außer-)irdischem Leben spricht das Modul die Phantasie der Schüler*innen an und sorgt für Spannung und Neugierde. Andererseits dient das Lernsetting als Vehikel für den Themenkomplex Roboter, der in dem hier vorgestellten Modul auf das Coding in anwendungsbezogenen Unterrichtsszenarien fokussiert.

Dieses didaktische Potential des Rahmenthemas „Weltall“ verdeutlicht der ESA-Astronaut Tim Peake in einem Interview im Rahmen der Esero UK Secondary Space Conference. Peake ist davon überzeugt, dass sich die „Faszination Weltraum“ in Unterrichtssettings auf viele Lernbereiche und wissenschaftliche Fächer übertragen lässt. In seinen Augen können das Thema Weltall und die Arbeit der ESA als einzigartige Plattformen genutzt werden, um Kinder und Jugendliche sowohl für die Themen Raumfahrt und Weltall zu begeistern wie auch ihr Interesse für die Arbeit der Astronaut*innen, Ingenieur*innen und Wissenschaftler*innen zu wecken. Einen entscheidenden Vorteil sieht Peake darin, dass Lerninhalte im Kontext Weltraum auf Kinder und Jugendliche sinnstiftend wirken, weil abstrakte Lerninhalte etwa aus den Fächern Mathematik, Physik, Chemie oder auch Biologie anschaulich und greifbar werden, was Peake als „space as an educational outreach tool“ bezeichnet (UK ESERO, n.d.). In diesem Sinne zielt auch das Mars-Rover-Modul darauf ab, Coding nicht in eine rein virtuelle Umgebung einzubetten, in der von Schüler*innen selbst erstellte Programme schlicht ein Antwortschema auf einem Bildschirm zur Folge haben (also etwa bewegte Bilder, Soundeffekte, etc. zu programmieren). Durch die Erprobung der Funktionalität selbst programmierter Steuerungsbefehle für einen Roboter wird eine Responsivität erzeugt, die Schüler*innen unmittelbar ihre Wirksamkeit, Erfolg und Misserfolg in lebensweltlichen Settings zurückmeldet. Die Robotisierung fügt hier eine zusätzliche Ebene hinzu, da sie den selbst konzipierten Algorithmen „eine räumliche Rückkopplung“ gibt, einen greifbaren Aspekt, der es den Lernenden erlaubt, nach Lösungen in einem weniger traditionell-schulischen Lernsetting zu suchen (INRIA, 2020). 

So eignet sich das Programmieren auch hervorragend im Kontext des erfahrungsbasierten Lernens zur Etablierung eines lernförderlichen Umgangs mit Fehlern im Klassenzimmer (vgl. etwa Kapur, 2011). „Aus neurowissenschaftlicher Sicht wird ein Fehler in erster Linie als Abweichung von einer Erwartung betrachtet, und stellt somit eine wertvolle Information dar, die es ermöglicht, eigene Vorstellungen zurecht zu rücken und hierdurch dazu zu lernen“ (INRIA, 2020). Einen derart positiven Umgang mit Fehlern können Schüler*innen anhand des Programmierens erfahren, da die Fehlermeldung unmittelbar erfolgt: Ein Computerprogramm urteilt nicht, sondern deckt den Fehler nur auf und meldet ihn. Dies bietet der/dem Lernenden die Möglichkeit, jeweils einen neuen spielerischen Versuch zu starten, bis die eigene Arbeit zum erwünschten Erfolg führt. So bekommen prinzipiell auch leistungsschwächere Schüler*innen die Chance, ihre Aufgabe korrekt fertig zu stellen. 

Das Programmieren unterstützt die Lernenden weiterhin bei der Entwicklung einer gründlichen Arbeitsweise, da ein Programm nur dann funktioniert, wenn es zu 100% richtig konfiguriert wurde. Hierin unterscheidet es sich von solchen Schuleinstellungen, bei denen die Schüler*innen auf „gut genug“ hinarbeiten anstatt auf „gut“. Lernende haben z.B. oft das Ziel, einen Test zu bestehen, nicht aber eine maximale Punktezahl zu erreichen. Dies ist beim Programmieren anders: Während eine Prüfung mit 30/60-Punkten als bestanden gilt, ist ein halb fertig konfiguriertes Programm unbrauchbar und nicht funktionsfähig (INRIA, 2020).

Neben der Responsivität über räumliche Rückkopplungen, einem lernförderlichen Umgang mit Fehlern und einer solchen Anleitung zum gründlichen Arbeiten, ermöglicht das Modul schließlich nicht zuletzt eine Schulung im Sinne des kritischen Denkens. Unter „kritischem Denken“ verstehen wir hier speziell die Fähigkeit, Hypothesen aufzustellen und diese dann zu bestätigen und/oder zu beweisen – oder diese wieder abzulehnen. Im Wesentlichen können Mathematik und Naturwissenschaften diese Fähigkeit bei den Lernenden fördern, da Hypothesen, kausale Zusammenhänge und Theorien wesentliche Elemente der Modellbildung in mathematisch-naturwissenschaftlichen Settings darstellen. Eine wichtige Rolle spielt hier auch das Bewusstsein, die eigene Meinung ändern zu dürfen. Während diese Versuch-Fehler-Schleife in einer klassischen einstündigen Unterrichtsstunde meist nicht umsetzbar ist, da ein solcher Prozess in Laborsituationen oft viel länger dauert, ist die Versuch-Fehler-Schleife in der Informatik viel kürzer, da ein Programm einen Fehler direkt beim ersten Versuch meldet. So lernen Schüler*innen schnell das Prinzip „Ich dachte dass…, aber ich stelle fest, dass …, ich werde etwas anderes versuchen“ (INRIA, 2020) und können eine positive Fehlerkultur einüben.

Im Modul #Discover Life on Mars with a Rover gehen robotisierte Fahrzeuge wie Opportunity und Curiosity (NASA, 2022) auf eine Mission zum Planeten Mars. Damit ein solcher Mars-Rover weiß, was er tun muss, muss ein*e Programmierer*in eine Reihe von Befehlen schreiben, die der Roboter nacheinander ausführt, z.B. „Solarpanels ausfahren“, „Räder ausfahren“ und „Kamera einschalten“. Allerdings lässt sich der Rover von der Erde aus nicht kontrollieren, da das Funksignal je nach Position der Erde im Verhältnis zum Mars vier bis zwanzig Minuten benötigt. Ein Rover mit Fernsteuerung würde nur mit großer Zeitverzögerung funktionieren. Daher muss der Mars-Rover im Voraus so programmiert sein, dass er autonom arbeiten kann.

Die Schüler*innen erhalten dementsprechend in dieser Unterrichtseinheit vier verschiedene und aufeinander aufbauende Programmiermissionen, die sich in ihrer Komplexität steigern, wobei jeweils Anteile aus den Basis-Missionen für komplexere Aufgaben übernommen werden können. Da die Einheit als Einstieg in das Thema Coding gedacht ist, müssen die Schüler*innen die Missionen somit nicht alle von Grund auf programmieren. Zur Erleichterung werden ihnen Teile der Programmierung als Aufgaben vorgegeben. Dies entspricht auch den Aufgabenschemata der ICILS-Studie (International Computer and Information Literacy Study 2018, durchgeführt mit Achtklässlern) (Fraillon et all., 2019, vgl. unten). Benutzt werden die Roboter mBot von der Firma MakeBlock. Diese Roboter sind speziell für Anfänger entwickelt und ermöglichen ein einfaches und unterhaltsames Lehren und Lernen der Robotercodierung. Das Programmieren selbst erfolgt über die Software MakeBlock, eine auf Scratch basierte Blockprammierumgebung. 

Das Modul #Discover Life on Mars with a Rover fokussiert damit auf die Entwicklung eines spezifischen Kompetenzbereichs, der in der rezenten ICILS-Studie als Computational Thinking (CT) modelliert wurde. Dabei handelt es sich um je individuelle Fähigkeiten einer Person, „Aspekte realweltlicher Probleme zu identifizieren, die für eine informatische Modellierung geeignet sind, und algorithmische Lösungen für diese Probleme zu bewerten und selbst so zu entwickeln, dass diese Lösungen mit einem Computer operationalisiert werden können“ (Boualam et al., 2021). Der Kompetenzbereich umfasst damit die beiden Kernkompetenzen „Probleme konzeptualisieren“ und „Lösungen operationalisieren“ (ebd.).1 Achtklässlerinnen und Achtklässler (6e/8e) aus Luxemburg liegen im Bereich des Computational Thinking wie auch in den generellen Computer- und Informationsbezogenen Kompetenzen dabei aktuell unter dem internationalen Durchschnitt der Studie (vgl. ebd.).

Der Zugang zum Programmieren über Scratch im Rahmen des Moduls #Discover Life on Mars with a Rover ermöglicht es, erste Erfahrungen mit Informatiksystemen zu sammeln und eignet sich sehr gut für den Anfangsunterricht. Die Tätigkeit des Programmierens beschränkt sich auf das Zuschneiden der bereits vorhandenen Programmierumgebung auf die Anforderungen der aufeinander aufbauenden Programmieraufträge und bietet somit die Möglichkeit, mit nur geringen Vorkenntnissen im Bereich der Programmierung, leistungsfähige Produkte zu konstruieren (Schubert & Schwill, 2011). Mithilfe von Schritt-für-Schritt-Anleitungen machen sich die Lernenden mit den Grundprinzipien der Blockprogrammierung vertraut und entwickeln Grundkompetenzen im Bereich CT. Diese sind anschlussfähig an mitunter bereits verfügbare Vorerfahrungen aus dem Coding, wie es im Fondamental angelegt ist.

1 Zur Kritik an dem Modell des Computational Thinking vgl. etwa Nardelli (2019) sowie Tedre & Denning (2016). Es ist sowohl aus (lern-)psychologischer wie erkenntnistheoretischer Perspektive in der Tat fraglich, ob CT eine – gar neuartige – Art und Weise des Denkens zu bezeichnen vermag, die geschult werden könnte. Die einzelnen Kompetenzbereiche, die darunter subsumiert werden, werden auch in anderen Fächern, etwa den mathematisch-naturwissenschaftlichen, sowie in Philosophie und formaler Logik gebildet. Für das vorliegende PITT-Modul wird CT daher als Merkmalbündel verstanden, wie es im Rahmen der ICILS 2018 konzeptualisiert und von Boualam et al, 2021 operationalisiert wurde. Mithin werden die hier unter CT zusammengefassten Kompetenzen deskriptiv genutzt, nicht normativ verstanden.

Referenzen
Andersen, Katia N., Cornrotte, Fréderic, Trap, Guillaume & Bettelo, Nadia. (2021). Le projet ESERO Luxembourg : conséquences pour la professionnalisation des enseignants sur le thème de l’éducation au développement durable. Rapport national sur l’éducation 2021. https://doi.org/10.48746/bb2021lu-de-19
Boualam, Rachid,  Lomos, Catalina & Fischbach, Antoine. (2021). Compétences en informatique et en information (CIL) et compétences en raisonnement informatique (CT) des élèves de 8e année. Principaux résultats de l’ICILS 2018. Rapport national sur l’éducation 2021. https://doi.org/10.48746/bb2021lu-de-26
Institut national de recherche en sciences et technologies du numérique (INRIA). (2020). Éducation et Numérique : enjeux et défis. Livre Blanc N 04. https://hal.inria.fr/hal-03051329v2/document
Fraillon, Julian, Ainley, John, Schulz, Wolfram,  Friedman, Tim & Duckworth, Daniel. (2019).  IEA International Computer and Information Literacy Study 2018. Assessment Framework. IEA

Kapur, Manu. (2011). A further Study of productive failure in mathematical problem solving : unpacking the design components. Instructional Science, 34(4), 561-579.
Nardelli, Enrico. (2019). Do we really need computational thinking? Communications of the ACM, 62(2), 32-35. https://doi.org/10.1145/3231587.

NASA. (2022). Mars Exploration Rovers. https://mars.nasa.gov/mer/mission/overview/
Schubert, Sigrid & Schwill, Andreas. (2011). Didaktik der Informatik. Spektrum Akademischer Verlag
Tedre, Matti & Denning, Peter J. (2016). The long quest for computational thinking. Proceedings of the 16th Koli Calling Conference on Computing Education Research, 120–129

UK Esero. The benefits of bringing Space to the classroom. The Esero UK Secondary Space Conference. https://www.esa.int/ESA_Multimedia/Videos/2014/11/ESERO_UK_Secondary_Conference_at_Farnborough_with_Tim_Peake/(lang)/en

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