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Pupils vs machine

5#Pupils vs machine

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5.1 Didaktischer Kommentar

Isabell Baumann, Dominic Harion & Ann Kiefer

Sind Computer intelligent? Manche Leute würden diese Frage vielleicht intuitiv mit „ja” beantworten. Diese Antwort fällt noch leichter, wenn man „Computer” durch „künstliche Intelligenz” (KI) ersetzt1. Gehen wir aber zunächst ein paar hundert Jahre zurück und betrachten einen Rechenschieber. Ist ein Rechenschieber intelligent? Wenn ich auf dem Schieber erst zwei Kugeln und dann drei Kugeln aufschiebe und daraus das Ergebnis 5 ablese, wer hat dann gerechnet? Der Schieber oder ich? Und wenn ich auf einer Rechenmaschine 2 + 3 eintippe und die Maschine mir das Ergebnis 5 gibt, wer hat dann gerechnet? Die Rechenmaschine kennt keine Mathematik, ähnlich wie der Rechenschieber ist sie nur ein Werkzeug, funktioniert aber in der Tat komplexer als ein Rechenschieber. Komplexer heißt jedoch nicht gleich intelligent.2

Warum aber fällt uns diese Einsicht beim Rechenschieber so leicht und bei komplexeren Technologien schwerer? Dies wird sehr deutlich am Beispiel der künstlichen Intelligenz. Obwohl autonom agierende KI-Systeme inzwischen in fast allen Lebensbereichen präsent sind, herrscht im Allgemeinen Unwissenheit darüber vor, wie diese Systeme genau funktionieren. Der daraus resultierende Zwang, großen Tech-Giganten blind zu vertrauen, löst bei vielen Menschen Unsicherheiten und Unbehagen aus. Fantasien aus der Sciencefiction-Kultur befeuern die Angst vor einer Machtübernahme der Maschinen weiter. 

Ein kritisches Verstehen, wie es von Alexandre et al. (2021) modelliert wird, kann hier irrationale Ängste abbauen. Zudem gehören ein Basiswissen und -verstehen über KI zu den Kompetenzen, die die Jugend des 21. Jahrhunderts beherrschen sollte (Touretzky et al., 2019). In einer zunehmend komplexer werdenden Welt birgt eine ethisch korrekt verwendete KI wundervolle und nützliche Potenziale für Individuen und Gesellschaft sowie für viele Bereiche wie Wissenschaft, Bildung und Industrie. Solange man jedoch das „how it works” nicht versteht und KI damit nur als eine Blackbox begreifen und benutzen kann, ist es unmöglich, innovativ zu sein (Alexandre et al., 2021). 

Das Modul #Pupils vs Machine fokussiert den Kompetenzbereich der Wissensvermittlung.3 Insbesondere geht es in diesem Modul darum, die Funktionsweise einer KI anschaulich zu erläutern.  Die Schüler*innen lernen, wie eine KI ein Spiel lernt und eine Gewinnstrategie entwickelt. Als Beispiel nehmen wir in diesem Modul das bekannte Spiel Nim. Dieses wird von den Schüler*innen in Gruppen gespielt. In jeder Gruppe übernimmt eine Schülerin/ein Schüler die Rolle der Maschine und die anderen spielen gegen diese. Die Schülerin/der Schüler, die oder der die Maschine simuliert, folgt einem strikten Algorithmus und findet so am Ende eine Gewinnstrategie. 

Dies geschieht analog, ohne Computer, nach dem Prinzip der „CS unplugged” (Computer Science unplugged). Bei CS unplugged arbeiten die Schüler*innen ohne Computer mit Aktivitäten, die ihnen helfen, ein breites Spektrum von CS-Themen auf motivierende Weise zu verstehen (Nishida et al., 2009). Obwohl die Vorteile von Unplugged-Aktivitäten im Allgemeinen noch nicht breiter in der Forschung rezipiert werden (Huang & Looi, 2021), sind sie innerhalb dieser thematischen Achse zur künstlichen Intelligenz didaktisch besonders wertvoll. 

Insbesondere für traditionelle Themen im Bereich der KI gibt es eine Reihe von Lernmaterialien. Die Umgebung Snap! und Google stellen eine Sammlung von KI-Experimenten für Lernende zur Verfügung.4 Darüber hinaus bietet Machine Learning for Kids Online-Demos, in denen Schüler*innen Klassifikationsmodelle trainieren und diese dann in Scratch verwenden können.5 Allerdings wird dabei in vielen Projekten vornehmlich eine anwendungsorientierte Perspektive eingenommen. Die zugrunde liegenden Konzepte der künstlichen Intelligenz sind jedoch in reinen Anwendungssituationen nur schwer fassbar, sodass KI-Systeme für die Lernenden eine Black Box bleiben. Aus diesem Grund zielen Unplugged-Aktivitäten darauf ab, die zugrunde liegenden Konzepte der künstlichen Intelligenz zugänglich zu machen. Gleichzeitig entfällt eine stark formalisierte, mathematische Darstellung, die den Zugang für Studierende erheblich erschweren würde (Lindner et al., 2019). 

Das Modul #Pupils vs Machine strebt also weniger Anwendungsgebiete der KI an als vielmehr das Verstehen und die Entmystifizierung einer KI. Am Ende des Moduls werden die Schüler*innen feststellen, dass die Maschine nicht intelligent, sondern nur gut programmiert ist. Oder, um Thierry Viéville das Wort zu geben: „Wenn wir anfangen zu glauben, dass Computer intelligent sind, werden wir uns schließlich von ihnen beherrschen lassen. Wenn wir aber erkennen, dass diese Maschinen, so komplex sie auch sein mögen, letztlich nur ein Ozean aus Berechnungen sind, dann haben wir die richtige Einstellung“.6

1 „Künstliche Intelligenz (KI) bezieht sich auf von Menschen entwickelte Systeme, die angesichts eines komplexen Ziels in der physischen oder digitalen Welt agieren, indem sie ihre Umgebung wahrnehmen, die gesammelten strukturierten oder unstrukturierten Daten interpretieren, auf der Grundlage des aus diesen Daten abgeleiteten Wissens schlussfolgern und die beste(n) Aktion(en) zur Erreichung des gegebenen Ziels (nach vordefinierten Parametern) entscheiden. KI-Systeme können auch so konzipiert werden, dass sie lernen, ihr Verhalten anzupassen, indem sie analysieren, wie die Umgebung durch ihre früheren Handlungen beeinflusst wird.“
https://ec.europa.eu/futurium/en/system/files/ged/ai_hleg_definition_of_ai_18_december_1.pdf
2 Diese Analogie stammt aus dem Vortrag “L’intelligence artificielle est-elle si intelligente” von Thierry Viéville, https://www.youtube.com/watch?v=RH023-y0rJk&t=4s.
3 So wie angegeben in den Kompetenzen der Axe 6 des Fachs Digital Sciences.
4 https://experiments.withgoogle.com/
5 https://machinelearningforkids.co.uk/
6 “L’intelligence artificielle est-elle si intelligente” von Thierry Viéville, https://www.youtube.com/watch?v=RH023-y0rJk&t=4s.

Referenzen

Alexandre, Frédéric, Becker, Jade, Comte, Marie-Hélène, Lagarrigue, Aurélie, Liblau, Romain, Romero, Margarida & Viéville, Thierry. (2021). Why, What and How to help each Citizen to Understand Artificial Intelligence? KI – Künstliche Intelligenz, 2, 1610–1987.
Huang, WendyLooi, Chee-Kit. (2021). A critical review of literature on „unplugged” pedagogies in K-12 computer science and computational thinking education. Computer Science Education, 31:1, 83–111, https://doi.org/10.1080/08993408.2020.1789411
Lindner, Annabel, Seegerer, Stefan & Romeike, Ralf. (2019). Unplugged Activities in the Context of AI. In: Pozdniakov, S., Dagienė, V. (eds.) Informatics in Schools. New Ideas in School Informatics. ISSEP 2019. Lecture Notes in Computer Science, vol. 11913. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-33759-9_10
Tomohiro, Nishida, Susumu, Kanemune, Yukio, Idosaka, Mitaro, Namiki, Tim, Bell & Yasushi, Kuno. (2009). A CS unplugged design pattern. SIGCSE Bull. 41, 1, 231–235.
Touretzky, David, Gardner-McCune, Christina, Martin, Fred & Seehorn, Deborah. (2019). Envisioning AI for K-12: what should every child know about AI? Proc AAAI Conf Artif Intell, 33(01), 9795–9799.

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