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Pupils vs machine

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PITT

5.6 Mehr zum Thema

01
Die Mathematik hinter dem Nim-Spiel

Das Nim-Spiel ist ein relativ einfaches Spiel mit einer bekannten Gewinnstrategie. Spielt man das Spiel mit einer Anzahl von Stiften, die ein Vielfaches von 4 ist, besitzt der*die zweite Spieler*in eine Gewinnstrategie. Der mathematische Satz würde wie folgt lauten:

Spielt man das Nim-Spiel mit n Stiften, wobei n ein Vielfaches von 4 ist, besitzt der*die zweite Spieler*in eine Gewinnstrategie 

Der Beweis ist nicht sehr schwer. Gehen wir davon aus, man spielt Nim mit nur 4 Stiften. Der*die erste Spieler*in ist gezwungen, mindestens 1 Stift wegzunehmen und es bleiben 1, 2 oder 3 Stifte übrig. Nun kann der*die zweite Spieler*in die übrig gebliebenen Stifte nehmen und hat gewonnen. Wenn also nur 4 Stifte auf dem Tisch liegen und der*die erste Spieler*in an der Reihe ist, hat der*die zweite Spieler*in gewonnen. 

Nehmen wir jetzt an, es liegen 8 Stifte auf dem Tisch. Der*die erste Spieler*in ist gezwungen, mindestens 1 Stift wegzunehmen, und es bleiben also 5, 6 oder 7 Stifte übrig. Jetzt kann der*die zweite Spieler*in so viele Stifte wegnehmen, bis nur noch 4 Stifte übrig sind. Es liegen also 4 Stifte auf dem Tisch und der*die erste Spieler*in ist an der Reihe. Wie vorher gesehen, gibt dies dem*der zweiten Spieler*in eine Gewinnstrategie. 

Der Beweis kann jetzt unendlich so weitergeführt werden. Mit 12 Stiften kann man auf 8 Stifte kommen, und bei 8 Stiften wissen wir schon, dass der*die zweite Spieler*in eine Gewinnstrategie hat. Mit 16 Stiften kann man auf 12 Stifte kommen usw. Diese Art von Beweis bezeichnet man in der Mathematik als Induktionsbeweis. 

02
KI in anderen Spielen

Künstliche Intelligenz wirkt auch in anderen Spielen. Die Basis-Methode ist dieselbe, nur dass Nim ein sehr einfaches und kleines Spiel ist. Nim ist einfach in dem Sinne, dass es eine klare Gewinnstrategie gibt, die man mathematisch aufstellen und beweisen kann (vgl. den vorherigen Abschnitt). Mit „kleinem Spiel“ meinen wir hier, dass es nicht so viele Möglichkeiten gibt. Wenn man mit nur 8 Stiften spielt, hat man 8 Zustände (die Becher) mit je drei unterschiedlichen Spielzügen (die Jetons). Dies ist im Vergleich zu anderen Spielen nicht sehr viel. 

Im Jahre 1961 baute der KI-Forscher Donald Michie eine KI aus 304 Streichholzschachteln, die Tic-Tac-Toe spielte und lernte. Er nannte sie MENACE (Machine Educable Noughts and Crosses Engine). Die KI besteht aus 304 Streichholzschachteln, welche aneinandergeklebt sind, um eine Art Kommode zu bilden, wie hier auf dem Bild gezeigt wird:

Quelle: https://www.mscroggs.co.uk/blog/19

Auf jeder Schachtel ist eine Tic-Tac-Toe-Konfiguration abgebildet (es gibt natürlich viel mehr mögliche Tic-Tac-Toe-Konfiguration als 304, aber durch Symmetrien kann man sich auf 304 beschränken) und jede Schachtel enthält verschiedene farbige Perlen. Im Unterschied zur Nim-KI werden nicht nur Perlen eliminiert, sondern es können auch Perlen, die einen positiven Effekt hatten, hinzugefügt werden (um diese positiven Strategien wahrscheinlicher zu machen). Die CNRS-Seite Images des mathématiques hat einen hervorragenden Artikel  über MENACE verfasst. Der amerikanische Mathematiker Martin Gardner hat auch einen sehr verständlichen und interessanten Artikel über MENACE und ähnliche KI-Machinen geschrieben (Gardner, 1962).

2017 wurde MENACE auf dem Manchester Science Festival nachgebaut und hat es nach kurzer Zeit geschafft, gegen die Besucher*innen zu gewinnen oder zumindest unentschieden zu spielen. 

Die französische Mathematikerin Aline Parreau hat ein Buch geschrieben, das Tic-Tac-Toe spielt und nie verliert. 

Auch komplexere Spiele wie Schach oder Go können auf ähnliche Weise mit einer KI programmiert werden. Diese Spiele sind komplexer aus mehreren Gründen. Einerseits sind die Anzahlen von Zuständen und Spielzügen viel größer als bei Nim oder Tic-Tac-Toe. Würde man Schach mit einem Bechersystem programmieren, bräuchte man grob berechnet 1050 Becher. Go ist noch einmal viel komplexer als Schach. Der Informatiker Claude Shannon hat ausgerechnet, dass es rund 10120 verschieden Schach-Partien gibt. Für Go erhöht sich diese Zahl auf 10300 (du Sautoy, 2019).  Andererseits ist bei Go und Schach keine Gewinnstrategie bekannt, im Gegensatz zu Nim oder Tic-Tac-Toe. Dies hat zur Folge, dass man einer KI diese Spiele nicht auf genau die gleiche Art und Weise beibringen kann. Man benötigt komplexere KI-Methoden, welche Muster und Regeln finden, ohne alle Möglichkeiten durchzugehen. Dies ist zum Beispiel in neuronalen Netzen der Fall. 

Und doch gewann bereits 1997 der Computer „Deep Blue” gegen den damaligen Schachweltmeister. Dies war zwar ein Durchbruch, aber die wirkliche Herausforderung lag in Go. Viele Wissenschaftler*innen waren überzeugt, dass es nie einen Computer geben würde, der fähig wäre, einen Menschen in Go zu schlagen. Das britische Team DeepMind entwickelte eine KI, die fähig war, Go zu lernen, und 2015 gewann sie gegen einen professionellen Spieler. 2016 gewann AlphaGo gegen einen der besten Go-Spieler weltweit; schlussendlich schlug AlphaGo 2017 den Go-Weltmeister Ke Jie. Die Reise von der Idee für AlphaGo bis hin zum Gewinn 2017 ist besonders spannend geschildert in „The Creativity Code: Art and Innovation in the Age of AI” von Marcus du Sautoy (du Sautoy, 2019). Dieses Buch bietet einen guten Einstieg in die Welt der KI. Einen seriöseren Kurs über KI bietet der MOOC (Massive Open Online Course) L’Intelligence Artificielle… avec intelligence !  von Inria. Für ein vertieftes Verständnis von neuronalen Netzen und Deep Learning empfehlen wir das erste Kapitel des Online-Buches Neural Networks and Deep Learning (Nielsen, 2015).

03
Müssen wir Angst haben vor KI?

Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz haben viele positive, aber leider auch negative Aspekte. Ein Problem bei dem Einsatz künstlicher Intelligenzen ist etwa ein Bias, der in den schlimmsten Fällen zu Diskriminierung auf Basis von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Bildungsniveau usw. führt. Beispiele hierzu findet man bei du Sautoy (2019). KIs kommen beispielsweise im Finanzsektor zum Einsatz, um die Kreditwürdigkeit von Antragsteller*innen zu beurteilen. Dabei identifiziert ein Algorithmus Muster, die bei vergangenen Fällen mit einem Kreditausfall im Zusammenhang standen. Wenn Kund*innen diese Muster nur zufällig aufweisen, kann es sein, dass die KI zu einer falschen Einschätzung kommt. Ein anderes Einsatzgebiet findet sich im juristischen Bereich. In den USA machen KIs Vorschläge zur vorzeitigen Haftentlassung von Strafgefangenen. Damit sie die Kriterien zur Prüfung der Haftentlassung lernen, werden ihnen vergangene Entscheidungen von Richtern eingespeist. In diesem Fall waren allerdings schon die Entscheidungen der Richter*innen mit einem Bias versehen – Menschen mit dunkler Hautfarbe wurden von Richter*innen durchschnittlich härter bestraft. Demnach lernt die KI auf der Grundlage von Daten, die nicht fair, sondern mit einem Bias versehen sind, und übernimmt diesen Bias für ihre eigenen Vorschläge.

Diese Problematiken werden momentan viel in den Medien diskutiert und führen dazu, dass manche Menschen Angst vor künstlicher Intelligenz haben. Trotz der Allgegenwärtigkeit von KI in unserem Leben und den Medien ist jedoch ein Verständnis dafür und ein Verstehen davon, was künstliche Intelligenz bedeutet, noch selten. Irrationale Angst entsteht dann, wenn man etwas nicht versteht, und kann nur durch Aufklärung beseitigt werden. 

Hierbei geht es nicht darum, KI unhinterfragt einzusetzen oder zu verklären und alle Kritik zu beseitigen, sondern vielmehr darum, ein kritisches Verstehen von KI zu entwickeln. Nur indem wir KI wirklich verstehen, wird es uns gelingen, zwischen den negativen und sogar gefährlichen Folgen und den positiven Aspekten von KI-Programmen zu unterscheiden. 

Wie der Artikel „Why it is best not to let the computer decide” in PITT-Kontext(e) erklärt, sollte man durchaus nicht sein ganzes Leben von KI managen lassen. Anstatt durch irrationale Panik aber gleich alles abzulehnen, kann ein kritisches Verstehen dazu beitragen, auch positive Aspekte zu erkennen. 

Rediet Abebe, Informatikerin und Mitgründerin von Black in AI, hat sich dies zum Ziel gesetzt und gebraucht künstliche Intelligenz, um Real-World-Probleme zu lösen (Crowell, 2021). Sie ist auch Mitgründerin der Organisation Mechanism Design for Social Good, einer Organisation, die Forscher*innen aus verschiedenen Disziplinen, Entscheidungsträger und Wirtschaft zusammenbringt mit dem Ziel, Gerechtigkeit und soziales Wohlergehen von Randgruppen zu verbessern, etwa in Bereichen wie Bildung, Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt usw. 

Auch in der Forschung selbst spielt KI eine immer größer werdende Rolle, treibt die Forschung voran und bringt sehr positive Resultate, etwa bei der Mustererkennung in medizinischen Diagnosen. Im folgenden Interview mit Dr. Laurent Mombaerts, einem ehemaligen PhD-Studenten der Universität Luxemburg erfahren Sie, wie er KI in seiner Forschung einsetzt.

 

Referenzen
Alexandre, Frédéric, Becker, Jade, Comte, Marie-Hélène, Lagarrigue, Aurélie, Liblau, Romain, Romero, Margarida & Viéville, Thierry. (2021). Why, What and How to help each Citizen to Understand Artificial Intelligence? KI – Künstliche Intelligenz, 2, 1610–1987.
Crowell, Rachel. (2021). A Computer Scientist Who Tackles Inequality Through Algorithms. Quanta Magazine. https://www.quantamagazine.org/rediet-abebe-tackles-inequality-with-computer-science-20210401/

Gardner, Martin. (1962). A Matchbox Game Learning-Machine, Scientific American, 3 1962, 138–144.
Nielsen, Michael. (2015). Neural Networks and Deep Learning, Determination Press, http://neuralnetworksanddeeplearning.com/
du Sautoy, Marcus. (2019). The Creativity Code: Art and Innovation in the Age of AI. Cambridge: Belknap of Harvard UP.

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