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Climate Killer Internet

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2.6 Mehr zum Thema

01
Digitale Welt und Energieverbrauch

Der Artikel Klimakiller Tiktok (Pitron, 2021a) beschreibt eindrücklich, dass die digitalisierte Welt sehr viel Energie verbraucht. Dies liegt allerdings nicht etwa daran, dass die Informationstechnik nicht effizient genug entwickelt wäre. Im Gegenteil: Die ersten Computer, wie zum Beispiel der ENIAC, der 1946 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, verbrauchten so viel Strom wie eine ganze Stadt. Obschon Smartphones heutzutage deutlich leistungsfähiger als die ersten Computer sind und sehr wenig Energie benötigen, wird insgesamt mehr Energie als zuvor verbraucht. Dies liegt an der stetig steigenden Anzahl von elektronischen Geräten wie Computern, Tablets und Smartphones.

Man schätzt, dass die Informationstechnik mittlerweile 2 bis 3% der Gesamt-CO2-Emissionen verursacht und damit mittlerweile die Emissionen des Flugverkehrs übersteigt (Abiteboul & Dowek, 2017, eine ausführlichere Beschreibung dieses Themas findet sich bei Pitron (2021)). Mit Blick auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Umwelt kommt jedoch nicht nur den CO2-Emissionen eine entscheidende Rolle zu. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von R. Obringer et al. (2021) nimmt neben dem CO2-Fußabdruck jeweils auch den Wasser- und Land-Fußabdruck in den Blick, die jeweils entstehen, wenn Daten über das Festnetz-Internet übertragen oder gespeichert werden. Die Wissenschaftler*innen konnten feststellen, dass insbesondere das Streamen von Videos viel CO2 verursacht und dass zusätzlich eine Menge Wasser verbraucht wird. Zudem werden große Flächen von Wäldern gerodet, um wichtige Rohstoffe zu gewinnen, die zur Herstellung der für das Streaming erforderlichen Technik benötigt werden. Demnach führt das Video-Streaming sowohl zu einem großen CO2-Fußabdruck als auch zu großen Land- und Wasser-Fußabdrücken.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Auswirkungen der „Fifth Generation” der mobilen Kommunikation auf die Umwelt: Das so genannte 5G wird das derzeitige 4G ablösen und ermöglicht eine schnellere Datenübertragung, benötigt aber im Vergleich zum Vorgängerstandard 4G lediglich ein Tausendstel der Energie pro übertragenem Bit. Auf der negativen Seite wird mit der Einführung von 5G sehr wahrscheinlich ein Effekt eintreten, den man in der Ökonomie als Jevons-Paradoxon oder Rebound-Effekt bezeichnet. Dieser tritt ein, wenn ein technischer Fortschritt die effizientere Nutzung eines Rohstoffes erlaubt und diese Nutzung dadurch letztendlich steigt. Das bedeutet in unserem Kontext: Durch die schnellere Datenübertragung via 5G wird das Gesamtdatenvolumen sehr wahrscheinlich stark ansteigen (Abiteboul & Berry, 2021).

02
Die positiven Aspekte der digitalen Revolution auf die Umwelt

Fortschritte der „digitalen Revolution“ erlauben immer auch Fortschritte in der nachhaltigen Entwicklung. Bei den wissenschaftlichen Modellen etwa, die die Entwicklung der Erderwärmung vorhersagen und analysieren, handelt es sich um Modelle, die auf Algorithmen basieren. Ohne Algorithmen und Informatik wäre es schlicht unmöglich, derartige Modellierungen zu erstellen und zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Auch die schiere Masse an Daten, die es uns ermöglichen, seriöse wissenschaftliche Klimastudien zu erstellen, können nur mithilfe digitaler Technologien verarbeitet und ausgewertet werden. Ebenfalls von der Digitalisierung abhängig sind intelligente Stromnetzwerke, die die Produktion von Strom ständig an den Verbrauch anpassen und damit zu einer umweltfreundlicheren Energieversorgung beitragen. Baute man früher riesige Kraftwerke, die Strom für ein sehr großes Gebiet produzierten, so sind neuerdings lokale Lösungen denkbar, bei denen Strom lokal produziert und verteilt wird. Dies kann aber nur mithilfe von Algorithmen geschehen, die die Verteilung managen (Abiteboul & Dowek, 2017). Um Dr. Dipl.-Ing. Benoit Mattlet (siehe Interview) zu zitieren: „Früher haben wir verbraucht, was produziert wurde. Heute produzieren wir, was wir verbrauchen.”

03
Mögliche Lösungen für die Zukunft

Die Reichweite individueller Entscheidungen und die Wahl alternativer Handlungsoptionen, wie z. B. die Aufforderung, nur in reflektierten und begründeten Fällen Suchmaschinen zu nutzen oder E-Mails nur mit dringend benötigten Anhängen zu versehen, ist sehr gering, da etwa Mails nur einen sehr kleinen Teil des gesamten Datenverkehrs darstellen (Abiteboul & Dowek, 2017). Ein großer Teil des gesamten Datenverkehrs stammt von Videos. Ein wichtiges Ziel wäre es also, den Videoverkehr zu optimieren. So stellt die schiere Strecke, die zu den Servern von Streaming-Anbietern überbrückt werden muss, ein reales Problem dar. Wünschenswert wäre auch hier eine lokale Lösung: Wären diese Videos auf Servern in unserer Nähe verfügbar (zum Beispiel auf dem Server eines Nachbarn, der dasselbe Video gerade gesehen hat), könnten wir Elektrizität sparen. Dieses Verfahren wird als Peer-to-Peer-Übertragung (P2P) bezeichnet. P2P-Streaming ist noch nicht sehr verbreitet (einige P2P-Videoplattformen versuchen sich bereits etwa gegen YouTube zu behaupten), wird jedoch in der aktuellen Forschung intensiv diskutiert (Ramzan, 2012). 

Ein weiterer Ansatz zur nachhaltigen Entwicklung besteht darin, die Wärme, die von Computern und Servern produziert wird, zum Heizen zu gebrauchen. Computer und Datenserver strahlen extrem viel Wärme ab. Im Moment geht diese Wärme allerdings einfach verloren, statt sie z. B. in Heizsysteme einzuspeisen. Solche Lösungen werden schon länger theoretisch studiert (Brouet, 2016) und Firmen sowie Start-ups bringen bereits erste Apparate auf den Markt (Hodson, 2015). Neben den Versuchen, Rechenzentren durch den Einsatz erneuerbarer Energien generell „grüner“ zu gestalten, handelt es sich bei den skizzierten Ansätzen zur nachhaltigen Entwicklung um die aktuell vielversprechendsten Konzepte.

 

Referenzen
Abiteboul, Serge, & Berry, Gilles. (2021). 5G : le temps des questionnements. Binaire. Le Monde. https://www.lemonde.fr/blog/binaire/2021/10/22/5g-le-temps-des-questionnements/
Abiteboul, Serge, & Dowek, Gilles. (2017). Le Temps Des Algorithmes Paris: Le Pommier.
Brouet, Anne-Muriel. (2016). Using servers for home heating. Phys.org. https://phys.org/news/2016-07-servers-home.html
Hodson, Hal. (2015). The computer that crunches cloud data to heat your home. NewScientist. https://www.newscientist.com/article/mg22530072-800-the-computer-that-crunches-cloud-data-to-heat-your-home/#ixzz7U8zhGe79
Obringer, Renee,  Rachunok, Benjamin, Maia-Silva, Debora, Arbabzadeh, Maryam, Nateghi, Roshanak, & Madani, Kaveh. (2021). The overlooked environmental footprint of increasing Internet use. Resources, Conservation and Recycling,167. https://doi.org/10.1016/j.resconrec.2020.105389

Pitron, Guillaume. (2021). L’enfer numérique. Voyage au bout d’un like. Les liens qui libèrent. LLL, Les liens qui libèrent.
Pitron, Guillaume. (2021a). Quand le numérique détruit la planète. Le Monde diplomatique. https://www.monde-diplomatique.fr/2021/10/PITRON/63595
Ramzan, Naeem, Park, Hyunggon, and Izquierdo, Ebroul. (2012). Video Streaming over P2P Networks: Challenges and Opportunities. Signal Processing. Image Communication, 27(5), 401-411. https://doi.org/10.1016/j.image.2012.02.004 

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